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Tipps und Empfehlungen

Brustgeschirr statt Halsband

Brustgeschirr statt Halsband  von Susanne Janneck – Hundeverstand 
Bereits seit mehreren Jahren arbeiten sowohl einige meiner Kollegen/innen im gesamten Bundesgebiet, als auch ich, im Hundetraining fast ausschließlich mit dem Brustgeschirr und nicht mehr, wie in der traditionellen Hundeerziehung üblich, mit dem Halsband.

Leider hört man dazu immer noch vorgefasste Meinungen wie z.B.: „Mit Brustgeschirr zieht der Hund doch erst richtig an der Leine“ oder auch: „Mit einem Brustgeschirr kann ich einem Hund doch nichts beibringen“. In manchen Hundeschulen ist das Tragen eines Brustgeschirrs gar nicht erst erlaubt. Diese Auffassungen beruhen immer noch auf der irrigen Annahme man könne einen Hund nur mit Hilfe des Leinenrucks erziehen. Die moderne Hundeerziehung kommt allerdings schon lange und auch sehr gut ohne das veraltete Hilfsmittel Leinenruck aus.

Es gibt zahlreiche Gründe auf die Benutzung von Halsbändern, insbesondere von schmalen Halsbändern, Kettenhalsbändern, oder sogar Stachelhalsbändern zu verzichten:

 

  •  Ein gut sitzendes Brustgeschirr schont die Halswirbelsäule (HWS) Ihres Hundes. Sie sollten sich verdeutlichen, dass die Wirbelsäule eines Hundes genauso aufgebaut ist wie die menschliche Wirbelsäule, sie ist jedoch mehr beansprucht als beim Menschen, da sie waagerecht ausgerichtet ist. Wird im Training mit z.B. einem Kettenhalsband und mit Leinenruck gearbeitet kann es passieren, dass der vom Halsband ausgehende Druck genau zwischen 2 Wirbeln abgefangen wird, was je nach Stärke der Einwirkung bis hin zu Bandscheibenverschiebungen führen kann. Viele HWS-Erkrankungen bei Hunden finden hier ihren Ursprung.

Stellen Sie sich bitte vor Sie trügen ein Halsband und jemand würde von hinten kräftig daran rucken! Keine angenehme Vorstellung, oder?

  • Kehlkopf, Schilddrüse und Halsmuskulatur bleiben durch das Tragen eines Brustgeschirrs ebenfalls unbelastet. Das Tragen eines Halsbandes dagegen belastet diese Organe sehr stark. Durch den Zug des Halsbandes werden sowohl der Kehlkopf, als auch die oberen Atemwege beeinträchtigt, Kehlkopfquetschungen sind leider gar nicht so selten. Die einzige Möglichkeit für den Hund Kehlkopf und Atemwege freizuhalten besteht darin, die Halsmuskulatur stark anzuspannen und so das Halsband durch die Muskulatur von diesen Organen fernzuhalten. Klinische Studien haben ergeben, dass die dadurch entstehenden Verspannungen in der Halswirbelsäule zu der gleichen Symptomatik wie beim Menschen führen: Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Schmerzen in der Wirbelsäule oder ähnliches. Außerdem liegen rechts und links vom Hals die Blutgefäße die das Gehirn mit Blut versorgen. Durch ständigen Zug auf den Hals kommt es zu einer Sauerstoffunterversorgung. Im Gegensatz zu uns, kann der Hund sich jedoch nicht mitteilen, er kann uns nicht sagen: Heute ist mir schwindelig und ich habe Kopfweh.

Dieses beständige Unwohlsein und die andauerndenSchmerzen sind oft für aggressives Verhalten verantwortlich.

  • Der Hals als soziales Organ des Hundes sollte vor unnötigen Einwirkungen geschützt werden. Der Hals spielt in der taktilen (nonverbalen) Kommunikation der Hunde eine wesentliche Rolle: Berührungen an der Oberseite des Halses drücken in der Hundesprache Dominanz aus. Berührungen an der Unterseite des Halses dagegen Subdominanz/Unterwerfung. Die Seitenpartien des Halses sind nur ganz guten Freunden vorbehalten (Pflegeverhalten). Der Hals ist auch bei uns Menschen eine sehr empfindliche Körperpartie und Berührungen am Hals sind etwas sehr intimes. Denken Sie nur an den Ausspruch: Bleib mir bloß vom Hals.“ Trägt der Hund ein Halsband stumpft die Empfindsamkeit für diese Signale ab, da der Hund praktisch ständig irgendwo am Hals Impulse erhält. Vielleicht erklärt dies auch die oftmals entsetzte Reaktion eines Welpen, der zum ersten mal ein Halsband umgelegt bekommt.
  • Diesen, recht unangenehmen Auswirkungen durch das Tragen eines Halsbandes, versucht der Hund sich oftmals zu entziehen. Wodurch versucht er das? Durch Flucht nach vorn und so entsteht das Ziehen an der Leine. Viele Menschen versuchen nun dem Hund durch Leinenruck dieses Ziehen abzugewöhnen. Der unangenehme Leinenruck wird vom Hund, da er einen Impuls an der Halsunterseite bekommt, als plötzlicher Angriff angesehen und löst so eine erneute Fluchtreaktion aus. Häufig gibt es aus diesem Kreislauf kein Entkommen mehr. Durch das Tragen eines Brustgeschirrs wird dieser unangenehme Druck vom Hals des Hundes genommen. Bei ca. 20% der Fälle gibt sich das Ziehen durch das Tragen eines Brustgeschirrs von ganz allein, mit dem entsprechenden Programm zur Leinenführigkeit ist dem Hund das Ziehen an der Leine auch ohne Leinenruck abzugewöhnen.

Das Tragen eines Brustgeschirrs birgt noch weitere Vorteile.

 

  • Durch den auf dem Rücken liegenden Steg können Sie den Hund viel besser und schneller festhalten. Dieser Griff ist, besonders bei langhaarigen Hunden viel besser zu erreichen als ein Halsband das irgendwo im dichten Fell liegt. Ebenso kann der Hund schneller angeleint werden, da sich der Ring auf dem Rücken befindet. Für den Hund ist das Halten am Rückensteg ebenfalls viel angenehmer. Er lässt sich so auch einfacher aus Gefahrensituationen holen, z.B. an der Straße. Verletzungen an der Hand des Hundehalters durch einen sich im Halsband windenden Hund werden vermieden. Erschrickt sich der Hund und windet sich aus dem Halsband, kann es zu gefährlichen Situationen kommen.

Woran erkenne ich ein gutes Brustgeschirr:

  • A. Es sollte aus weichem, leichtem Material sein, das sich dem Körper anschmiegt.Das Material und auch die Vernähungen dürfen nicht einschneiden. Nylongeschirre haben sich besser bewährt als Ledergeschirre.
  • Das Material sollte waschbar sein.
  • Die Verschlüsse sollten haltbar, strapazierfähig und der Körperform angepasst sein (abgerundet).
  • Der Rückensteg sollte fest vernäht sein, damit er beim Laufen nicht hin und her rutscht. Er sollte mit Ring versehen sein für den Leinenkarabiner. An diesem Ring sollten keine Hundemarken oder Namenschilder angebracht werden. Diese können eine stetige unangenehme Reizung auf den Knochenvorsprüngen verursachen. Vorsicht bei vorstehenden Haltegriffen auf dem Rücken, der Hund kann damit hängen bleiben.
  • Das Geschirr sollte von 2 Seiten zu öffnen sein, kein „einfädeln“ der Beine. Dies kann bei Verletzungen, oder alten Hunden zum Problem werden.
  •  Der Rücken- und der Bauchsteg sollten lang genug gearbeitet sein. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verstellbarkeit des Bauchsteges. Ist er zu kurz, kommen die Seitenteile zu nah hinter den Ellbogen hoch und können dort scheuern. Optimal sitzt das Geschirr, wenn zwischen Ellbogen und Seitenteilen etwa eine Handbreit Platz ist.
  • Die Breite der Gurte sollte dem Gewicht des Hundes angepasst sein.
  • Manche Hunde, die das Tragen eines Brustgeschirrs noch nicht gewohnt sind, knabbern gern an den Stoffgurten herum. Deshalb den Hund besonders in der Gewöhnungsphase nicht mit dem angelegten Geschirr allein lassen und es immer nur unmittelbar vor dem Spaziergang anlegen und sofort nach Beendigung des Spazierganges wieder abnehmen.

(Copyright Silvia Weber, Hundeschule Bestfriends-Bochum)
Als Halterin eines Irischen Wolfshundes habe ich durchweg gute Erfahrungen mit Brustgeschirren gemacht und auch in meiner täglichen Praxis als Hundetrainerin hat es sich bewährt.

Ich hoffe durch meine Ausführungen einige Hundehalter zum Nachdenken angeregt zu haben und freue mich über jeden Einzelnen, der vom Halsband auf das Brustgeschirr umsteigt.

 

ZIEHEN AM HALSBAND ERHÖHT DEN AUGENINNENDRUCK SIGNIFIKANT
Der Augeninnendruck (intraokulärer Druck) wird, wenn krankhaft erhöht, auch grüner Star(Glaukom) genannt. Eine äußerst wichtige Untersuchung für alle Hunde, die stark am Halsband ziehen und die womöglich aufgrund ihrer Rasse oder Anatomie zum Glaukom neigen: Der
intraokuläre Druck wird bei Zug am Halsband kurzfristig massiv erhöht, wie diese brandneue Untersuchung zeigt. Der dringende Rat: Brustgeschirr – so wird der IOP nicht verändert!

Bei 51 Augen von 26 Hunden wurde der intraokuläre Druck (IOP) von Hunden, die an Halsband oder Brustgeschirr zogen, gemessen. Der Druck, mit dem der jeweilige Hund gegen Halsband bzw. Brustgeschirr zog, wurde zunächst ermittelt. Der IOP wurde gemessen, während der individuell ermittelte Druck einwirkte.


E

in weiterer Grund, warum ein Brustgeschirr …
… einem Halsband in jedem Fall vorzuziehen ist.

Der IOP stieg signifikant, wenn der Hund massiv gegen das Halsband, nicht aber, wenn er gegen das Brustgeschirr zog. Basierend auf diesen Resultaten wird dringend empfohlen, Hunde mit schwacher oder dünner Cornea, Glaukom oder Erkrankungen, für die eine Erhöhung der IOP fatal wäre, nur noch am Brustgeschirr statt am Halsband zu führen. Das gilt besonders während der Arbeit oder beim Spaziergang.
Quelle: Amy M. Pauli, Ellison Bentley, Kathryn A. Diehl, Paul E. Miller (2006):
Effects of the Application of Neck Pressure by a Collar or Harness on
Intraocular Pressure in Dogs. In: Journal of the American Animal Hospital
Association 42:207-211 (2006)